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Roelf Briese

Interview mit Roelf Briese

 

„Meine schönste Zeit war die an der Seefahrtschule.“

Die Hochschule Emden/Leer feiert ihr 50-jähriges Bestehen. Einer, der hautnah dabei war, als alles losging, ist Roelf Briese. Der Leeraner Reeder war an der Entstehung des Fachbereichs Seefahrt am Standort Leer der Hochschule beteiligt, die aus der dortigen Seefahrtschule hervorging. Welche Rolle bedarfsgerechte Ausbildung spielt und welche Vorteile Leer und umzu durch den Fachbereich Seefahrt bis heute haben, berichtet Roelf Briese im Interview.

Als Kapitän und Reeder hat Roelf Briese sicherlich alle Weltmeere bereist. Dependancen in Houston (USA), Singapur oder auch Dubai sprechen hier eine deutliche Sprache. Seinen Ursprung nahm dies alles an der Seefahrtschule in Leer, aus der später der Fachbereich Seefahrt (heute: Seefahrt und Maritime Wissenschaften) der Hochschule Emden/Leer hervorging. Hier hat Briese zunächst sein Kapitänspatent gemacht, ehe im weiteren Verlauf ein Schiffbaustudium folgte. Schnell fuhr Briese danach zur See, arbeitete später als Diplom-Ingenieur – unter anderem auch in Emden bei der Firma Thyssen Nordseewerke.

Anfrage der Seefahrtschule brachte Veränderungen mit sich

Nach einer Anfrage der Fachschule Seefahrt, die damals noch nicht in den FH-Bereich integriert war, wechselte Roelf Briese seinen Arbeitsplatz und arbeitete ab 1980 als Professor an der Fachhochschule Ostfriesland (FHO) im Fachbereich Seefahrt. Die Eingliederung dessen war Mitte bis Ende der 1970er Jahre durchgeführt worden. Damals war dieser Fachbereich am Standort Leer alleine, gehörte aber zu Emden.

Briese lernte viele Präsident:innen und Direktor:innen der FHO kennen und ebenso viele Studierende. Vor allem in der Anfangszeit, so Briese, waren an der Seefahrtschule viele Schüler:innen, die bereits während ihrer Ausbildung den Gang in die Selbständigkeit planten und im Anschluss beispielsweise Reedereien gründeten. Ziemlich genau so, wie es auch Roelf Briese selbst tat. So kam es, dass Leer für die Seefahrt bis heute einen immens hohen Stellenwert hat. Der Fachbereich Seefahrt trug maßgeblich dazu bei, dass Leer bis heute der zweitgrößte Standort für Reedereien in ganz Deutschland ist. Für Roelf Briese ist dies kein Zufall, immerhin sei es in Leer gelungen, bedarfsgerecht auszubilden und somit die hiesige Wirtschaft zu stärken. Dabei haben die Studierenden vielfach schon im Verlauf ihres Studiums an ihre Zukunft gedacht.

Ähnlich sieht es übrigens auch im Bereich rund um Haaren aus. An der Seefahrtschule wurden einst auch viele Schüler:innen aus Haaren und umzu ausgebildet, die entsprechend dort später ihre Firmen gründeten.

Groß geworden durch die Seefahrtschule

Roelf Briese sagt von sich selbst, er sei durch die Seefahrtschule groß geworden. Seine Wurzeln hat er im Fischerdorf Ditzum, sein Vater war selber Fischer und arbeitete einst auch auf der später gesunkenen Melanie Schulte.

Ursprünglich wollte Briese auch gar nicht als „Big Player“ auf den Weltmeeren aktiv sein: Angefangen hat alles 1983 mit einem einzelnen Schiff, das damals in Oldersum gebaut wurde. Daraus wurden bis heute 155 Schiffe, die derzeit dazu gehören.

„Der Wirtschaftsstandort Leer, die maritime Verbundwirtschaft“, so Briese, „hat dabei einen großen Vorteil: Die Menschen hier identifizieren sich eher mit der Branche, als es anderswo der Fall ist.“ Mit „anderswo“ meint er beispielsweise die Hansestädte Lübeck oder auch Hamburg, wo Mitarbeiter:innen vielfach den Arbeitsplatz wechseln. In Leer sei das anders, hier sind viele Mitarbeitende seit der Gründung einer Reederei „mit an Bord“, seien nicht so sprunghaft. Zudem seien die Jobs sicher.

Dass es auch anders gehen kann, hat Roelf Briese selber miterlebt. In den Jahren 2005/2006 waren die Studierendenzahlen im Bereich Seefahrt am Standort Leer äußerst gering und der Fachbereich stand auf der Kippe, wie er sich erinnert. Gemeinsam mit früheren Kommilitonen gründete Briese in der Folge die Reedereigemeinschaft Emsachse. Über zehn Jahre stellte die Emsachse drei Stiftungsprofessuren bereit, um damit „den Fachbereich am Leben zu halten“. Bis dahin war bereits über eine Zusammenlegung mit Elsfleth nachgedacht worden. Doch dazu kam es nicht. Auch nicht, als ab 2010 die – wie Briese sagt – „Saure Gurken-Zeit“ anfing. Die Seefahrt geriet in die Krise, viele Reedereien gingen Pleite oder mussten schließen. Das hatte auch Folgen für die Reedereigemeinschaft: Briese und seine Mitstreiter mussten noch einmal Geld investieren, damit das Projekt – und damit der Fachbereich Seefahrt -  erfolgreich weiterbestehen konnte.

Inzwischen ist die Krise überwunden. Und trotz seiner 78 Jahre denkt Roelf Briese nach wie vor nicht ans Aufhören. Teilweise zum Ärger seiner Frau, die sich so langsam mehr gemeinsame Zeit wünschen würde. Doch fortwährend hat Briese Ideen für neue Projekte, neue Möglichkeiten – und ist dabei immer wieder mit seinen Gedanken bei seiner eigenen Ausbildung an der Seefahrtschule. Denn das, schließt Briese ab, sei für ihn die schönste Zeit gewesen.