Im Projekt wird davon ausgegangen, dass analoge Bilderwelten zunehmend von digitalen Medien vereinnahmt werden. Dies hat zur Folge, dass mediale Darstellungsformen und Inhalte nicht nur die Alltagserfahrungen von Kindern, sondern bspw. durch elektronische Mediennutzung auch ihren Zugang zu Bildern (mit) prägen. Gerade aufgrund der damit einhergehenden beschleunigten digital-medialen „Bilderflut“ (Behring 2001) und der daraus resultierenden Beeinflussung kindlicher Lebenswelt und Ausdrucksweisen, gewinnen analoge Bilder der Kunst ihre besondere Relevanz. Kunstwerke als Einzelbilder bzw. stille Standbilder werden in der Studie daher als Sprechanlässe betrachtet, die ganzheitliches Erleben, sinnlich-ästhetische Erfahrung sowie Neuausrichtungen von Denk- und Handlungspraktiken evozieren können. Eine zentrale Bedeutung wird hierbei der Entwicklung von Bildfähigkeit zugeschrieben. Bildfähigkeit bedeutet in diesem Zusammenhang, die flüchtige Wahrnehmung zugunsten einer Tiefen-Wahrnehmung anzuregen (Herrmann 2015; 2016). Im Projekt interessiert, auf welche Weise sich Kinder den Bedeutungsgehalt von Bildern der Kunst erschließen und wie sich im Rahmen ihres rezeptiven Umgangs mit diesen eine Bildfähigkeit ausprägt. Im Sinne eines qualitativ-empirischen Ansatzes wird hierbei in Erfahrung gebracht, wie Formen der kollektiven Bilddeutung und Erzählstrategien von Kindern in der Praxis von Kindertageseinrichtungen aussehen und gefragt: Welche Orientierungen dokumentieren sich in ihren Praktiken der Bilderschließung? Welche (Alltags-)Erfahrungen bringen die Kinder ein? Wovon lassen sie sich im Rahmen ihrer Bildrezeption leiten?

Das Forschungsprojekt knüpft an die Methode der „subjektorientierten Bilddeutung“ (Herrmann 2009) an. Dem Ansatz entsprechend wird davon ausgegangen, dass Kunstwerke den Aufforderungscharakter für eine individuelle und kollektive Rezeptionsgeschichte in sich bergen, die von den Kindern in ihrer Bezugnahme auf Bilder der Kunst abgetragen werden kann. Dieser Perspektivierung nach verfügen Bilder der Kunst über narrative Anteile, die es den Kindern ermöglichen, ihre eigene Geschichte zu aktualisieren und/oder entlang dieser Bilder miteinander zu entwickeln. Der Kinderblick und die verbale sowie performative Reaktion auf Gestaltungsformen der Bilder der Kunst sind demnach Gegenstand der Untersuchung. Um dem beizukommen, werden bildgestützte Gruppendiskussionen mit Kindern durchgeführt (Nentwig-Gesemann/Gerstenberg 2014) und mit der Dokumentarischen Methode ausgewertet (Bohnsack/Nentwig-Gesemann/Nohl 2007). In Absprache mit den am Projekt beteiligten Kindertageseinrichtungen werden Kinder (4-5jährige) für die Forschung ausgewählt, die sich für die Thematik der Bildgespräche interessieren (Vergleichslinien: großstädtische (Berlin) vs. ländlich geprägte Einrichtung (Emden); Unterschiede in der Konzeption; Varianz bei der Bildauswahl). Ziel der Studie ist es mittels Fallstudien Erkenntnisse über kindliche Rezeptionsweisen von Bildern der Kunst zu gewinnen und damit zum Diskurs ästhetisch-kultureller Bildungsforschung in der Kindheitspädagogik beizutragen.

Projektleitung:  Prof. Dr. Fatma Herrmann

Wissenschaftliche Mitarbeiterin:  Dr. phil. Frauke Gerstenberg

 

Projektlaufzeit: 01.01.2022 - 30.06.2025

Förderrahmen: Förderlinie „Professorinnen für Niedersachsen“, Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur, aus Mitteln des Nieders. Vorab

Hier finden Sie eine Pressemiteilung über das Projekt.

Presseartikel vom 28.4.22 in der NWZ Online: https://www.nwzonline.de/plus-emden/emden-hochschule-koennen-kinder-noch-analoge-kunst_a_51,7,864282889.html

Presseartikel vom 3.5.2022 (Printversion): „Können Kinder noch analoge Kunst? Forschungsprojekt befasst sich mit Auswirkungen der digitalen Welt“, Emder Zeitung Nr. 102, S. 7