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Post-COVID als gesellschaftliche Herausforderung

Dr. Jens Bräunlich referierte bei "Wissenschaft im Fokus"

Absolute Erschöpfung nach der kleinsten Anstrengung, Gedächtnisstörungen, Kopfschmerzen - dies sind häufige Nachwirkungen, die nicht wenige Menschen nach einer Coronainfektion verspüren. Oft sogar dann, wenn die akute Erkrankung bereits Monate zurückliegt. Über die Symptome, Ursachen und Therapiemöglichkeiten des in diesem Fall vorliegenden „Post-COVID Syndroms“ sprach Dr. Jens Bräunlich vom Klinikum Emden am Donnerstag als Gast der Online-Vortragsreihe „Wissenschaft im Fokus“ der Hochschule Emden/Leer.

Laut Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) kann eine Post-Covid-19-Erkrankung in der Regel drei Monate nach einer COVID-19-Infektion auftreten und wird als solche diagnostiziert, wenn Symptome vorliegen, die mindestens zwei Monate andauern und nicht durch eine andere Diagnose zu erklären sind. Laut Prof. Dr. Kerstin Kamke, die als Professorin für Gesundheitsökonomie und Gesundheitspolitik an der Hochschule lehrt und in den Vortrag einführte, ist die Zahl der Betroffenen hoch. Von bisher 24 Millionen Erkrankten in Deutschland sind dies rund 5 Millionen Post-COVID-Patienten, die in unterschiedlichsten Bereichen Hilfe benötigen. Die Bandbreite erstreckt sich von psychosomatischen Beschwerden über den HNO- und Lungenfacharztbereich bis hin zur Dermatologie.

Dr. Jens Bräunlich, Chefarzt der Abteilung für Innere Medizin und Pneumologie, hat vor gut einem Jahr die Post-COVID-Ambulanz am Emder Klinikum eröffnet und dort mit seinem Team bisher rund 350 Männer und Frauen mit entsprechenden Symptomen behandelt. Schon früh habe sich der Bedarf einer solchen Anlaufstelle abgezeichnet, so der Mediziner, der vor seiner Zeit in Emden in Leipzig tätig war.

Bräunlich schilderte einen typischen Krankheitsverlauf am Beispiel einer Mitarbeiterin aus dem medizinischen Schichtdienst. Diese war im November 2020 an Corona erkrankt, sprach jedoch von einem eher milden Verlauf. Die Kollegin fühlte sich  nach 14 Tagen schon deutlich besser und nahm ihre Arbeit wieder auf, musste aber nach kurzer Zeit feststellen, dass sie zunehmend erschöpft und zum Ende der ersten vollen Arbeitswoche am Ende ihrer Kräfte war. Im Juli 2021 kam sie erneut in die Sprechstunde und klagte über Kopf-und Brustschmerzen sowie Beschwerden in den großen Extremitäten.

Dies ist kein Sonderfall: Mehr als 40 Prozent der wissentlich und auch der unwissentlich mit Corona infizierten Personen berichteten laut einer von Bräunlich zitierten Studie rund sechs Monate nach ihrer Erkrankung über diese und weitere Symptome. Allen voran steht das bereits vor Corona bekannt gewordene Chronische Fatigue Syndrome, das bei den Betroffenen extreme Erschöpfungszustände verursacht, die auch durch Schlaf und Ruhe nicht gelindert werden können. Viele Erkrankte können für längere Zeit ihrer alltäglichen Arbeit nicht mehr nachgehen. Ein wichtiges Hilfsmittel könnte hier die stufenweise Wiedereingliederung sein, bestätigte Bräunlich die Anfrage einer Betriebsärztin am Ende des Vortrags.

Aufgrund der Vielfalt der Beschwerden, die auch im Zusammenhang mit anderen Erkrankungen stehen können, gebe es jedoch noch zu wenig verlässliche Zahlen im Zusammenhang mit Post-COVID. „Das ist ein großes gesellschaftliches Problem und eine Mammutaufgabe für die nächsten Jahre“, so der Chefarzt. Wenngleich er auch eine gute Nachricht hatte: Zum einen ließen sich Symptome wie Geruchsverlust und Gedächtnisstörungen durch ein gezieltes Training gut behandeln. Wichtig sei es, die eigenen Grenzen zu erkennen und die täglichen Aktivitäten dem individuellen Befinden anzupassen, um somit eine Überlastung und Chronifizierung zu vermeiden. Zum anderen seien geimpfte Personen deutlich weniger von den Spätfolgen betroffen.

Als letzte Referentin der Vortragsreihe „Wissenschaft im Fokus“ spricht Prof. Dr. Jutta Lindert am Montag, 16. Mai, ab 17 Uhr zum Thema „Psychische Folgen von CORONA“.

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