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Pandemie verändert

Diskussionsforum mit dem Sprengel Ostfriesland-Ems

„Miteinander im Gespräch zu sein, ist großartig, vor allem im Austausch mit den Jugendlichen“, sagte Regionalbischof Dr. Detlef Klahr während eines Diskussionsforums. In der gemeinsamen Veranstaltungsreihe zu aktuellen gesellschaftlichen Fragestellungen hatte die Hochschule Emden/Leer in Kooperation mit dem Evangelisch-lutherischen Sprengel Ostfriesland-Ems unter dem Thema „Pandemie verändert“ in die Martin-Luther-Kirche nach Emden eingeladen. Dabei wurden im Dialog mit Jugendlichen drei Themenbereiche in den Blick genommen. Der Präsident der Hochschule Emden/Leer, Professor Dr. Gerhard Kreutz, sprach mit der Laura Oldewurtel (17) darüber, inwieweit die Pandemie den Blick auf das Thema der Nachhaltigkeit verändert habe. Regionalbischof Dr. Detlef Klahr widmete sich gemeinsam mit Marten Siegmund (22) der Frage nach Veränderungen im Glauben und der Spiritualität. Der ehemalige Vizepräsident für Forschung und Wissenstransfer der Hochschule Emden/Leer, Professor Dr. Eric Mührel, der jetzt als Sozialwissenschaftler an der Hochschule Koblenz tätig ist, und Lena Bauerle (18) betrachteten das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft in Zeiten der Pandemie. Die Moderation des Gesprächs hatte Birte Engelberts von der Zentralen Studienberatung der Hochschule Emden/Leer übernommen.

Man baue nicht erst Deiche, wenn das Wasser komme, sagte die Klimaratsvorsitzende des Max-Windmüller-Gymnasiums Emden, Laura Oldewurtel, und lenkte den Blick darauf, dass das Thema „Klimaschutz“ keine Pause mache in Zeiten der Pandemie. Anfangs sei es unmöglich gewesen, sich während des Lockdowns weiterhin als Klimaparlament an der Schule zu treffen, solange bis Verabredungen per Videokonferenz gehalten werden konnten. Oldewurtel wies darauf hin, dass viele noch gar nicht verstanden hätten, dass der Klimawandel lebensbedrohlich werden könne. Ältere Schülerinnen und Schüler hätten durchaus Vorbildcharakter in dieser Frage für die Jüngeren. „Anfang kommenden Jahres wollen wir uns als klimaneutrale Schule bewerben. Damit werden wir Vorreiter in Niedersachsen sein“, sagte die Schülerin aus der elften Jahrgangsstufe und freute sich, dass die Stadt Emden als Schulträger die Frage nach dem Klimaschutz wertschätze.

Das Thema Nachhaltigkeit sei im Leitbild der Hochschule Emden/Leer fest verankert, sagte der Präsident der Hochschule und bedachte zugleich die Veränderungen durch die Pandemie auf den Unterricht. Es habe eine schnelle Umstellung auf online-Unterricht stattgefunden, doch gehörten zum Studium auch die sozialen Kontakte. Man könne in der Lehre nicht allein mit digitalen Formaten weitermachen, so Kreutz.

Der Lockdown habe alles grundlegend verändert, sagte Marten Siegmund aus Bingum, der die Fächer Deutsch und Evangelische Religion in Oldenburg studiert und in der Arbeit der Evangelischen Jugend in der Landeskirche Hannovers aktiv ist, sowohl im Vorstand der Landesjugendkammer als auch als jüngstes Mitglied des Präsidiums der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland.

Ein Vorteil der Evangelischen Jugend sei es gewesen, dass die Jugendlichen mit Digitalität umgehen könnten. So sei es unkompliziert möglich gewesen, dass Jugendgruppen sich online vernetzten und Treffen im digitalen Raum zu Fragen des Glaubens und Lebens stattfinden konnten. Hierin hätten die Kirche und gerade die Evangelische Jugend einen wichtigen Beitrag geleistet, dass Jugendliche nicht vereinsamten. Durch Videoandachten seien neue Formen von Spiritualität entstanden. Auch online-Gemeinden seien möglich geworden. „Das Digitale biete viele Möglichkeiten, doch sei Kirche als Glaubensgemeinschaft auch auf die Präsenz angewiesen“, benannte Siegmund die Grenzen des digitalen Austauschs. Er sei dankbar, dass die Bundesregierung die Bedürfnisse der Jugendlichen anerkannte und junge Menschen früh die Möglichkeit bekamen, wieder präsentisch in den Austausch zu treten.

Den großen Schub, den die Kirche durch die Digitalität erhalten habe, in dem neue Formate entstanden seien, wie online-Gottesdienste oder sogar digitales Abendmahl, werde die Kirche nicht aufgeben, sagte Regionalbischof Dr. Detlef Klahr und verwies zugleich darauf, die soziale Frage nicht aus dem Blick zu verlieren. Nicht jeder habe die Möglichkeit einer entsprechenden Ausrüstung, um an digitalen Formaten teilnehmen zu können.

In der Pandemie hätten sich durchaus neue Formen der Spiritualität entwickelt und auch Fragen des Glaubens seien mehr als sonst thematisiert worden. Dem Regionalbischof war es wichtig zu betonen, dass das Virus keine Strafe Gottes sei. „Wir wissen nicht, wo das Virus herkommt“, der Glaube frage aber danach, „wie gehe ich mit dieser Situation um“. Der Mensch fühle sich insgesamt in Frage gestellt, weil er Ohnmacht erlebe. Auch der Umgang mit dem Tod und das Thema „Abschiedlich Leben“ stünden nun mehr im Vordergrund als vor der Pandemie. Auch erfordern ethische Fragen plötzlich Antworten, wie beispielsweise damit umzugehen sei, wenn die Intensivstationen in den Krankenhäusern so voll sind, dass dann nicht mehr alle versorgt werden können.

Daran schloss ich auch die Frage aus dem Publikum an, wie lange man noch gegenüber Ungeimpften Solidarität üben könne. „Die Freiheit des Einzelnen dürfe nicht den Schutz der Gesellschaft bedrohen“, gab Marten Siegmund zu bedenken.

Zu diesem Gesprächsgang gehörte der dritte Themenbereich des Abends, ob eine Veränderung im Verhältnis von Individuum und Gesellschaft wahrzunehmen sei. Lena Bauerle aus dem 13. Jahrgang des Johannes-Althusius-Gymnasiums Emden gab in ihren Erzählungen einen Einblick in diese Veränderungen. Die Achtzehnjährige habe in Zeiten des Lockdowns zweimal ihren Geburtstag nicht feiern können und musste sich zweieinhalb Wochen allein in ihrem Zimmer aufhalten, nachdem sie sich mit Corona infiziert hatte. Das sei eine schwere Zeit für sie gewesen. Sie habe aber durchaus eine große Solidarität erlebt. „Generell ist viel Solidarität in der Gesellschaft vorhanden. Das ist durch die Pandemie offensichtlich geworden. Es gab viele solidarische Aktionen in der Gesellschaft.“ So sei füreinander eingekauft worden, wenn man das Haus nicht mehr aus der Quarantäne heraus verlassen durfte, oder auf Besuche der Großeltern sei verzichtet worden, um sie nicht zu gefährden, als es noch keinen Impfschutz gab. Auch sprach die Achtzehnjährige vom Applaus vom Balkon für das Pflegepersonal. Wie wichtig das Eingebundensein des Individuums in die Gemeinschaft sei, habe die Pandemie durchaus gezeigt, sagte Eric Mührel als Sozialwissenschaftler: „Ich werde ja erst zu mir selbst in Dialog mit anderen Menschen“, so Mührel.

Daran hielt auch Regionalbischof Klahr fest: „Der christliche Glaube sieht den Menschen hineingenommen in die Gemeinschaft mit anderen Menschen und mit Gott.“ Es sei wichtig, Respekt und Rücksicht auf andere zu bewahren, gerade angesichts der Tatsache, dass in vielen Bereichen der Respekt verloren gehe. Danach gefragt, welche Gesellschaft sie sich wünsche, in die sie nach der Schulzeit entlassen werde, sagte Lena Bauerle: „Toleranz und Verständnis sind mir wichtig. Eine Gesellschaft bringt es nicht voran, wenn jeder an sich selber denkt.“

Zu der Veranstaltung kamen Interessierte aller Altersgruppen gemäß der 3-G-Regelung und unter Einhalten der Abstands- und Hygieneregeln in der Martin Luther Kirche Emden zusammen. Zudem war eine digitale Teilnahme durch einen Live-Stream auf dem Youtube-Kanal der Hochschule Emden/Leer möglich. Außerdem begleitete die Hochschule die Veranstaltung live via Instagram mit Interviews und kurzen Informationen.                                

Die Aufzeichnung der Veranstaltung kann auf dem YouTube Kanal der Hochschule unter dem Link https://www.youtu.be/0Lch75LcfuQ angesehen werden. Informationen und Link sind auf der Homepage des Sprengels Ostfriesland-Ems zu finden: www.sprengel-ostfriesland-ems.de .

Die Hochschule Emden/Leer und der Sprengel Ostfriesland-Ems veranstalten seit dem Jahr 2013 das Forum „Aktuelle gesellschaftliche Fragestellungen“. Im Jahr 2013 ging es um Europa, 2015 und 2016 stand die Flüchtlingsthematik im Vordergrund und 2021 die Pandemie.  

 

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