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Meldung

Warum Frauen ihre eigene Wissenschaft brauchen

Studierende aus Emden in Kontakt mit der kurdischen Frauenbewegung in Syrien

Neun Studierende der Hochschule Emden haben während eines dreitägigen Blockseminars am Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit  etwas über die „Jineolojî – eine neue Sozialwissenschaft aus der kurdischen Frauenbewegung“ gelernt. Das Seminar wurde mit einer Video-Konferenz mit der Rojava Universität in Syrien abgeschlossen.

Auch nach diesen Seminartagen beschäftigten sich einige der Studierenden weiter mit dem Thema und hielten per E-Mail den Kontakt aufrecht. Sie stellten offen gebliebene Fragen an die beiden Vertreterinnen der Jineolojî Fakultät der nordsyrischen Universität und erhielten nach wenigen Tagen eine Antwort von einer der beiden Gesprächspartnerinnen aus Nordsyrien.

Häufig wird die Jineolojî als Feminismus des Nahen Osten bezeichnet, was nicht ganz richtig ist. Die Jineolojî will den westlichen Feminismus erweitern, denn dieser ist laut den SprecherInnen der Jineolojî nicht ausreichend. Sie will darauf aufmerksam machen, dass Frauenrechte auch heute noch erkämpft werden müssen und nicht für selbstverständlich genommen werden sollen. Die Jineolojî will weg vom Eurozentrismus, also dem Fokus auf den europäischen und westlichen Staaten, und zielt auf eine weltweite und allgemeingültige Frauenrechtsprofession.

Durch die Antworten der Gesprächspartnerin konnte herausgefunden werden, dass das Studium der Jineolojî an der Rojava Universität für jeden zugänglich ist. Die fünfzehn Studierenden haben unterschiedliche ethnische und religiöse Hintergründe, die dem Studienalltag nicht im Weg stehen. Gegenseitige Akzeptanz ist grundlegend wichtig für das Studium und die Zusammenarbeit in dieser neuen Sozialwissenschaft.

Die Finanzierung des Studiensystems ist in Rojava/Nordsyrien ist ähnlich organisiert wie in Deutschland: das Studium und auch die Gehälter der Dozent*innen werden durch die Verwaltung der autonomen Demokratischen Föderation Nordsyriens finanziert, nur fallen dort für die Studierenden keine Semesterbeiträge an. Frauen sollen in finanzieller und sozialer Unabhängigkeit leben können. Dies genauso wie das freie, selbstbestimmte Leben und die Freiheit und Sicherheit aller Frauen und auch aller Menschen sind Grundprinzipien der Demokratie und somit auch der demokratischen Autonomie Nordsyriens. Für diejenigen Frauen, die diese Sicherheit nicht erfahren, gibt es in Syrien Nachbarschaftswachen, welche aus dem Frauenrechtssystem entstanden sind, sowie eine 24-Stunden-Hotline und Frauenhäuser und Frauenzentren in denen Frauen in schwierigen Situationen Obdach finden.

Die Jugendkultur ist laut der Gesprächspartnerin zwiegespalten. Zum einen gibt es die Jugendlichen, die kurdische und arabische Musik hören und sich der Kultur zu-gehörig fühlen. Zum anderen gibt es die Jugendlichen, die mit westlichen Medien, Kleidungsstilen und Musikrichtungen in Kontakt kamen. Einige der Jugendlichen nehmen diese eher westlichen Stile an, andere wiederum lehnen dies ab und sehen die westlichen Kulturen als „seltsam“ an.

In Syrien gibt es zwei klassische Familiensysteme. Dies ist zum einen die Großfamilie, in der Großeltern, Eltern und Kinder, sowie Tanten und Onkel gemeinsam in einem Haushalt leben. Außerdem gibt es die „Kernfamilie“, die aus den Eltern und den Kindern besteht. Unabhängig vom Familiensystem sind Vater oder Großvater immer Familienoberhaupt und die Frauen häufig als zweitrangig angesehen.

Aus dem Gespräch mit den beiden Vertreterinnen wurde deutlich, dass die demokra-tische Autonomie Nordsyriens sich immer mehr an die Gleichstellung von Mann und Frau heranwagt, aber es noch ein langer Weg ist, bis die Frauen Nordsyriens die gleichen Rechte wie Männer haben werden.

Die Studierenden aus Emden haben sich über die Kooperation mit den Vertre-ter*Innen gefreut und sind an einem weiteren Kontakt interessiert.

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