DE | EN

Article

Wenn eine Sprache sichtbar macht

Studierende lernen Gebärdensprache

Doris Geist setzt sich, blickt in die Runde und lächelt die jungen Frauen und Männer im Seminarraum freundlich an. Ihre Lippen formen einen nicht hörbaren Laut, den ihre Hände mit einer passenden Geste begleiten. Daraufhin gibt es reihum ein „Daumen hoch“ von den Anwesenden: Alles gut! So beginnt der Kurs in der Hochschule in Emden bei der Bremer Dozentin: Deutsche Gebärdensprache, Stufe 1.

Zwölf Studierende der Sozialen Arbeit haben sich angemeldet, möchten lernen, wie die stille Kommunikation funktioniert, die Gehörlosen in der Gesellschaft eine Brücke baut. Seit zwei Jahren wird der Kurs auf Initiative der Lehrbeauftragten Wiebke Davids an der Hochschule angeboten. „Ich wollte selbst während meines Studiums gerne die Gebärdensprache lernen und habe damals einen Volkshochschulkurs besucht“, so Davids, die in Emden unter anderem am Projekt „Barrierefreie Hochschule“ mitgearbeitet hat. Auf den Geschmack brachte sie damals der Film „Jenseits der Stille“, in dem ein hörendes Mädchen die Musik entdeckt und sich von ihrer gehörlosen Familie entfremdet.

Um einen Gebärdensprachkurs auch in der Hochschule anbieten zu können, machte sich Davids auf die Suche nach geeigneten Dozenten. In Ostfriesland wurde sie nicht fündig, so dass sie schließlich bei ihrer erweiterten Suche auf Doris Geist stieß. Diese gibt unter dem Titel „Gebärdenfreude“ bereits seit 24 Jahren Kurse. Geist ist selbst von Geburt an gehörlos und erinnert sich noch gut daran, wie dies von ihrer Umgebung damals tabuisiert wurde. Selbst ihre Eltern, die wie Geists Bruder ebenfalls gehörlos waren, wollten ihre Einschränkung nicht öffentlich zeigen. „Gebärdensprache wurde mir verboten, das war als Affensprache verpönt“, so Geist. Auch in der Schule musste sie sich auf das Lippenlesen beschränken – und war somit nicht nur gehörlos, sondern auch mehr oder weniger unsichtbar.

Doris Geist ist froh, dass sich dieser Umgang mit Gehörlosigkeit inzwischen stark verändert hat. Seit den achtziger Jahren sei ein wachsendes Interesse in der Bevölkerung bemerkbar. „Das ist gut. Damit werden Menschen wie ich sichtbar“, erklärt die Bremerin. Laura Schwarz, die im fünften Semester in Emden Soziale Arbeit studiert, hat sich sehr über das Angebot an der Hochschule gefreut. „Es ist eine schöne und eben ganz eigene Sprache, so, als ob man englisch lernt“, erklärt sie. Für Claudius Eicher waren nicht nur sein Studium im sozialen Bereich, sondern auch sein persönliches Umfeld ausschlaggebend. „Ich habe einen Freund, der gehörlos ist. Die Gebärdensprache zu beherrschen, erleichtert die Kommunikation natürlich erheblich“, so der 23-Jährige. Und auch für sein späteres Berufsleben möchte er fit in der Sprache sein. An der Hochschule werden die Kurse in der Blockwoche des Fachbereichs Soziale Arbeit und Gesundheit angeboten.

Eines wird am Mittwochvormittag ganz schnell deutlich: Still geht es bei einem Gebärdensprachkurs ganz und gar nicht zu. Die nicht immer ganz einfache Kombination der Gesten sorgt immer wieder für Heiterkeit, Zungenschnalzen und das Zusammenpressen und Öffnen der Lippen ergibt ebenfalls Laute. „Nur eins geht in dieser Sprache leider nicht“, raunt eine Tischnachbarin augenzwinkernd zur anderen hinüber. „Flüstern.“ Doch Wiebke Davids weiß: „Auch das ist nur eine Frage der Übung.“ Nur leider könne man hierbei trotzdem „belauscht“ werden.

}