Skip to main content

Digitale Wildvergrämung: Kitzrettung mit IoT-Geräten zur Verhinderung des Mähtodes

Das „Kitzretter“-System wird seit dem Frühjahr 2020 an der Hochschule Emden/Leer in Kooperation mit der Jägerschaft Aurich entwickelt. Es verwendet IoT-Geräte, die mit der Funktechnologie LoRaWAN durch einen zentralen Computer (Server) individuell steuer- und konfigurierbar sind, um Rehkitze kurzfristig aus zu mähenden Flächen zu vergrämen und sie somit vor dem Mähtod zu bewahren. Die Umsetzung und Auswertung der Testkampagnen wird gefördert durch das Niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz aus Mitteln der Jagdabgabe (01.2020-08.2023).

Motivation des Projektes "Kitzretter"

Neu gesetzte Rehkitze haben keinen Fluchtreflex


Neugeborene Rehkitze werden von der Ricke am liebsten in das hohe Gras von Wiesen gesetzt. Sie drücken sich bei drohender Gefahr auf den Boden und bleiben dort
bewegungslos sitzen (Drückinstinkt), der Fluchtinstinkt setzt erst nach der zweiten Lebenswoche ein. Diese Strategie schützt die Tiere vor natürlichen Feinden, macht sie aber auch leicht zu Opfern von modernen Mähmaschinen.

Die Deutsche Wildtier Stiftung geht auf den 2,3 Millionen Hektar Grünland in Deutschland von jährlich etwa 92.000 vom Mähtod bedrohten Kitzen aus.

Die Hauptsetzzeit in Mai und Juni fällt mit dem ersten Grünlandschnitt zusammen, sodass Landwirte vor der Mahd Maßnahmen zur Rettung der Kitze ergreifen müssen. Diese sind jedoch sehr personal- und zeitintensiv, und somit gerade bei großen Flächen eine Herrausforderung.

Die Technologie des "Kitzretter"-Projektes

Der Ansatz des Systems „Kitzretter“ ist der Einsatz von IoT-Geräten, die basierend auf der Funktechnologie LoRaWAN durch einen zentralen Computer (Server) individuell steuer- und konfigurierbar sind.

LoRa ist eine neuartige Funktechnologie, entworfen für Anwendungen im Bereich des Internet der Dinge (IoT): Es können lediglich sehr kleine Datenmengen übertragen werden, diese jedoch kostengünstig, mit geringem Energieverbrauch und hoher Reichweite (im ländlichen Raum mehrere Kilometer).

In Aktion funktioniert das System folgendermaßen: Die batteriebetriebenen Geräte werden vor der Mähsaison am Rand oder in der Grünfläche platziert. Durch ein Foto des auf den Feldeffektoren aufgebrachten Barcodes und der GPS-Position des Smartphones kann eine einfache Zuordnung eines Geräts zu einer Fläche erfolgen. Steht eine Mahd an, so kann der Landwirt oder Jäger über eine Web-Anwendung mit dem Smartphone für die jeweilige Wiese eine Vergrämung anstoßen. Die kleinen Geräte beunruhigen in der Nacht in Intervallen mit Licht- und Akustiksignalen die Wiese, sodass die Ricke in den Pausen ihre Kitze aus der betroffenen Grünfläche herausführt. Um den Gewöhnungseffekt der Tiere an die Beunruhigung einzuschränken, kommen bei jeder Vergrämung verschiedene Kombinationen von unterschiedlichen Licht- und Akustiksignalen zum Einsatz.

Erprobung der Kitzretter im Feldtest

Zur Erprobung des Kitzretter-Systems wurden erstmalig im Mai und Juni 2020 mehrere Feldtests im Landkreis Aurich in der Nähe von Bangstede und Großefehn durchgeführt.

Für einen Feldtest wird zunächst die An- oder Abwesenheit von Rehkitzen in der betreffenden Fläche festgestellt. Dies erfolgt durch eine Absuche mit Vorstellhunden oder dem Abfliegen mit einer mit Wärmebildkamera ausgerüsteten Drohne. Danach werden die Kitzretter um die Fläche herum aufgestellt. Anschliesend kann die variable Vergrämaktivität (z.B. von 21:00h bis 04:00h, alle 20 Minuten) über PC oder Smartphone programmiert werden.

Der Effekt der Vergrämung wird am frühen nächsten Morgen durch erneutes  Abfliegen oder Absuchen der Flächen kontrolliert.

Durch Feldtests im Frühjahr 2020 und 2021 wurde die technische Machbarkeit demonstriert und erste Prototypen getestet. Die für 2022 und 2023 geplanten Feldtests dienen der Optimierung der Vergrämung durch optimierte Hardware, gesteigerte Lautstärke und Wiedergabe von digitalisierten Tierrufen (Eichelhäher, Hund).

 

Videobeitrag über das Projekt bei Emden.TV vom 19.06.2021

Ansprechpartner

Prof. Dr. Carsten Koch

Tel.: 04921 / 807 -1815

E-Mail: carsten.koch(at)hs-emden-leer.de

 

Dipl-inf (FH) Tilman Leune, MEng

Tel.: 04921 / 807 -7022

E-Mail: tilman.leune(at)hs-emden-leer.de

Projektpartner

Das Projekt zur digitalen Wildvergrämung wird in Kooperation mit der Jägerschaft Aurich durchgeführt, gefördert durch das Niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz aus Mitteln der Jagdabgabe.