Projekt

Bedeutung der Selbstkontrolle für die Reduzierung des eigenen Glücksspielverhaltens
- Eine Untersuchung am Beispiel des Manuals „In einer Spirale nach oben“
- der Einstieg in den Ausstieg aus problematischem Glücksspielverhalten

Hintergrund

Problematische Formen des Glücksspiels finden in Deutschland aufgrund der hohen Anzahl von Betroffenen zunehmend Beachtung. Die aktuellen Zahlen epidemiologischer Studien [2,3] verdeutlichen diese Problematik [4,5]. Demnach sind in Deutschland 215.000 Personen von einem pathologischen Spielverhalten betroffen sowie das Spielverhalten von weiteren 241.000 Personen als problematisch einzustufen. Lediglich 24.000 Betroffene suchten eine Beratungsstelle auf [6]. Im bundesweiten Vergleich der Zahlen ergibt sich hieraus für Niedersachsen folgendes Bild:

In Niedersachsen sind insgesamt knapp 76.000 Menschen von glücksspielsuchtbezogenen Problemen betroffen [8]. Im Jahresbericht der Niedersächsischen Landesstelle für Suchtfragen (NLS) wurden für das Jahr 2016 insgesamt 1.772 Personen, die Beratung in Anspruch genommen haben, erfasst [10]. Die Differenz zwischen der Anzahl der Menschen mit einem problematischen Glücksspielverhalten und denjenigen, die Beratungen aufsuchen, zeigt, dass die bestehenden Hilfeangebote viele Betroffene nicht erreichen [11]. Glücksspiel verursacht eine Vielzahl an gesellschaftlichen und individuellen Problemen, denen mit

adäquaten Hilfeangeboten in Prävention, Beratung und Therapie begegnet werden sollte. Die Wirksamkeit von Hilfen nachzuweisen und diese zu optimieren, muss daher als eine aktuelle gesellschaftliche wie auch fachliche Herausforderung verstanden werden. Dabei stellen Angebote, bei denen es um die individuelle Selbstkontrolle und ein durch die Klient*innen selbst zu bestimmendes Beratungsziel zwischen kontrolliertem Konsum und Abstinenz geht, einen alternativen Ansatz in der Suchtprävention dar. Dabei sollen auch jene Personen erreicht werden, die sich von den bestehenden Hilfeangeboten bislang nicht angesprochen fühlen oder bedingt durch Hemmschwellen den Zugang als zu große Hürde empfinden [1].

Eckdaten zur Studie

Vor diesem Hintergrund fördert das Land Niedersachsen - Ministerium für Inneres und Sport – die Studie „Bedeutung der Selbstkontrolle für die Reduzierung des eigenen Glücksspielverhaltens– Untersuchung am Beispiel des Manuals ‚In einer Spirale nach oben‘ - der Einstieg in den Ausstieg aus problematischem Glücksspielverhalten“. Die Eckdaten der Studie werden nachfolgend als Überblick skizziert.

1. Forschungsfeld

1.1 Ziel

Unter Berücksichtigung der allgemeinen Forschungslage zur (Glücksspiel-)Sucht und Selbstkontrolle werden Fragen der Motivation und Veränderungsbereitschaft für die Reduzierung des eigenen Glücksspielverhaltens, des Zugangs zur (Sucht-)Hilfe sowie zur Bedeutung der Selbstkontrolle über das eigene Spielverhalten und Leben, erarbeitet. Ziel der Studie ist es, zu diesen grundlegenden Themen neue Erkenntnisse über mögliche Einsatzmöglichkeiten des Manuals zu erlangen. Hierbei wird neben der Weiterentwicklung von Ansätzen in der Glücksspielsuchtprävention insbesondere die Wirksamkeit von ergebnisoffenen Konzepten und deren Nachhaltigkeit in den Blick genommen.

1.2 Forschungsfragen

Forschungsfragen:

  1. Wie lässt sich die Motivation von Glücksspieler*innen fördern das eigene Glücksspielverhalten zu reflektieren, zu kontrollieren und ggf. zu reduzieren?
  2. Wie können Hemmnisse und Barrieren beim Zugang zur (Sucht-)Hilfe speziell für Glücksspieler*innen abgebaut werden?
  3. Welche Zielgruppen und welche Effekte können mit einem Selbstkontrolltraining für Glücksspieler*innen erreicht werden?

Operationalisierte Fragen:

  1. Welche Verbreitung, Akzeptanz und Wirkung hat das Manual „In einer Spirale nach oben“ in der Prävention und Beratung von Glücksspielsucht in der Suchthilfe in Niedersachsen?
  2. Wie effektiv ist der Ansatz der Selbstkontrolle durch Training, insbesondere mit der „Spirale nach oben“ bei der Zielgruppe der Menschen mit Problemen im Glücksspielverhalten (riskantes, problematisches, pathologisches Glücksspiel)?
  3. Für welche Zielgruppen zwischen kontrolliertem Spielen und Abstinenz ist das Selbstkontrolltraining geeignet?
  4. Welche neuen Settings und Zielgruppen lassen sich auf der Basis der Glücksspielsuchtpräventionsarbeit erkennen und erschließen?

1.3 Forschungsteam

Hochschule Emden / Leer
Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit

Leitung: Prof. Dr. Knut Tielking
Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen: Meike Panknin-Rah, Silvana Vogeler
Constantiaplatz 4, 26723 Emden

knut.tielking(at)hs-emden-leer.de

meike.panknin-rah(at)hs-emden-leer.de

silvana.vogeler(at)hs-emden-leer.de

1.4 Laufzeit und Ablaufplanung

 Das Projekt ist zunächst aus haushaltsrechtlichen Gründen für 3 Jahre - 01.10.2015 – 30.09.2018 - bewilligt und operationalisiert. In Abhängigkeit von den Zwischenergebnissen besteht die Option auf eine Laufzeitverlängerung um zwei weitere Jahre – 1.10.2018 bis 30.09.2020.

Die nachfolgende Ablaufplanung fasst die Eckpunkte der insgesamt fünf geplanten Projektjahre zusammen:

2. Methodik

Vor dem Hintergrund der leitenden Ziele und Fragestellungen sind im Sinne eines Mixed-Methods-Designs [7] quantitative und qualitative Methoden zum Einsatz gekommen. Dazu wurden unterschiedliche Erhebungs- und Auswertungsmethoden eingesetzt. Inhaltlich wurden in Anlehnung an die Inhalte der Fragen 4. bis 7. Aspekte wie die Verbreitung und Anwendungspraxis von Selbstkontrolltrainings und speziell des Manuals „In einer Spirale nach oben“ [9] sowie die Effekte von Selbstkontrolltrainings bei unterschiedlichen Zielgruppen untersucht.

 

2.1 Quantitative Erhebungen und Auswertungen

Im 1. Projektjahr sind quantitative Befragungen von Expert*innen und Klient*innen zum Einsatz gekommen, um einen empirisch fundierten Überblick zu den Untersuchungsthemen zu bekommen. Die quantitativen Befragungen erfolgten als online-Befragung mit Hilfe des Online Fragebogentools „2ask“. Die statistische Datenerfassung und -auswertung wurde mit SPSS durchgeführt

2.2 Qualitative Erhebungen und Auswertungen

Expert*innen und Klient*innen wurden im 2. Projektjahr zu Erfahrungen und Erfolgen im Zusammenhang mit Selbstkontrolltrainings leitfaden-gestützt interviewt. Zudem erfolgten im 3. Projektjahr weitere Interviews mit Glücksspieler*innen, um die Bedeutung der Selbstkontrolle innerhalb der Lebenswelt von Glückspieler*innen sowie die Wirksamkeit und verschiedenen Einsatzmöglichkeiten des Manuals in der Praxis zu hinterfragen. Mithilfe von Fokusgruppen (Fachkräfte/Selbsthilfe) wurden neue Aspekte zur Modifizierung des Manuals in den Blick genommen und neue Settings sowie neue Zielgruppen erschlossen. Die qualitativen Erhebungen wurden digital aufgezeichnet, transkribiert und mit dem Programm „MAXQDA“ ausgewertet.

3. Ausblick

Die Realisierung der Ziele und Beantwortung der Fragestellungen der Studie lassen sowohl neue Erkenntnisse zu den grundlegenden Forschungsfragen, wie bspw. die Erreichung von unterschiedlichen Zielgruppen in der Glücksspielsuchtprävention, die Bedeutung der Selbstkontrolle innerhalb der Lebenswelt von Glückspieler*innen sowie die Wirksamkeit und verschiedenen Einsatzmöglichkeiten des Manuals in der Praxis zu. Neben den zu erwartenden Erkenntnissen zur Evaluation des Konzeptes und der daraus resultierenden Optimierung des Manuals als Arbeitshilfe, besteht zudem die Möglichkeit die SNO auch als Angebote in der Glücksspielsuchtprävention, betrieblichen Suchthilfe und präventiven Schulsozialarbeit sowie als Ansatz zur Selbsthilfe (Selbstüberwachung) weiterzuentwickeln und stärker nutzbar zu machen. Die Forschungsergebnisse fließen in eine zielgruppenspezifische Überarbeitung sowie Erstellung eines konzeptionellen Leitfadens ein, weshalb diese auch einen integrierten Bestandteil von Arbeitskreisen (Glücksspielsuchtfachkräfte) und Fortbildungsangeboten zum Manual bilden.

 

Literatur

[1] Bucher, E. (2011): Sucht und Ausstieg. Wege aus der Glücksspielsucht. Ein Buch für Betroffene, Angehörige, Therapeutinnen, Therapeuten und Beratende. Mit einer Anleitung zum Ausstieg in neun Schritten. Books on Demand GmbH: Norderstedt.

[2] Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (2016): Glücksspielverhalten und Glücksspielsucht in Deutschland. Ergebnisse des Surveys.

2015 und Trends. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Köln.

[3] Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (2014): Glücksspielverhalten und Glücksspielsucht in Deutschland. Ergebnisse des Surveys 2013 und Trends. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Köln.

[4] Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (2011): Glücksspielverhalten und Glücksspielsucht in Deutschland: Ergebnisse aus drei repräsentativen Bevölkerungsbefragungen 2007, 2009 und 2011. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Köln.

[5] Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (2010): Glücksspielverhalten in Deutschland 2007 und 2009. Ergebnisse aus zwei repräsentativen Bevölkerungsbefragungen. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Köln.

[6] Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (2017): Jahrbuch Sucht 2017. Pabst: Lengerich.

[7] Döring, N.; Bortz, J. (2015): Forschungsmethoden und Evaluation in den Sozial- und Humanwissenschaften. 5. Auflage. Springer Verlag: Heidelberg, Berlin.

[8] Kuhnt, M. (2014): 2013 - Glücksspielsucht in Niedersachsen – Dokumentation der Beratungen. NLS: Hannover.

[9]Niedersächsische Landesstelle für Suchtfragen (NLS) (Hrsg.) (2013): Berichte der Fachstellen 2013. NLS: Hannover.

[10] Niedersächsische Landesstelle für Suchtfragen (NLS) (Hrsg.) (2016): Berichte der Fachstellen 2016. NLS: Hannover.

[11] Petry, J. (Hrsg.) (2013): Differentielle Behandlungsstrategien bei pathologischem Glücksspielen. Lambertus-Verlag: Freiburg/Breisgau.