SEMINARE

Eine feste Verankerung findet sich in mehreren Seminaren und Modulen des Studienganges Kindheitspädagogik. Durch eine gemeinsame Formulierung von Fragestellungen sowie eine direkte Erprobung in Studierendengruppen werden neue Inhalte erschlossen und in Verbindung mit theoretischen Grundlagen reflektiert und diskutiert.

Gleiches Material in großen Mengen (GMGM)- Material als Werkzeug zum Tätigsein

„Bei einer überraschend großen Menge gleicher Münzen wollen Menschen greifen und Begreifen“ (Lee 2014, S. 15). Im Seminar Theorie und Praxis von Didaktik I lassen wir uns von gleichem Material in großen Mengen, durch die von dem Material ausgehende monotone Gleichartigkeit provozieren und inspirieren. Was kann ich damit tun? Wozu lädt es mich ein? Was ist das? Wo kommt es her? Im FrühWerk steht dabei das eigene Erleben und Gestalten im Mittelpunkt. Wir durchbrechen die Gleichartigkeit des Materials durch ein spielerisches Finden und Erfinden von Strukturen. Lernen durch Nachahmen und Variieren. Ideen entstehen durch Ausprobieren oder Nachahmen. Der Wandel von einer Idee zur nächsten erweitert den Horizont des Handelns und verfeinert die Möglichkeiten des Materials. Dabei ist die Ideenentwicklung (vgl. Lee 2010) ein individueller Prozess, der durch drei Phasen gekennzeichnet ist. 1. Kreieren: gestaltetes Tun, 2. Durcharbeiten: fokussiertes Gestalten und 3. Entdecken: Problem lösen und perfektionieren.

100 Wasser – Hundertwasser?

Selbstbildung vollzieht sich in besonderer Weise entlang einer selbsttätigen, nicht direkt angeleiteten Auseinandersetzung mit und über die Beziehung zu den Dingen. Ausgehend von sozialkonstruktivistischen Ansätzen und der Vorstellung von kompetent Lernenden arbeiten wir in der Veranstaltung Theorie und Praxis der Didaktik II 100 Farben entlang des Farbkreises des Schweizer Kunstpädagogen Johannes Itten heraus. Dabei wird ausgehend von den Farben erster Ordnung (Primärfarben) ein zwölfteiliger Farbkreis entwickelt.

Erfahrungen entstehen durch differenzierte Auseinandersetzungen mit leuchtenden Farben und dem Herstellen verschiedener Farbnuancen in der Gruppe. Ästhetische Erfahrung durch eigenständiges Tätigsein in Form von Betrachten, Erkennen und Handeln sowie die Entdeckung des Unbekannten und Unerwarteten, beschreiben den intensiven Prozess.

Neues Wissen stößt auf bereits vorhandene Erfahrungen sowie Wissen und erweitert sich. Wir wirken dabei handelnd auf die Welt ein, um sie zu erkennen. Dabei stellen wir fest, dass sich unser Wissen (über Farben, Farbnuancen und Farbmischung) aus dem Handeln und Mischen mit den Farben und dem Wasser ableitet. Erkenntnisse entstehen dabei aber auch aus durch Handlungen hervorgebrachte neue Handlungen. Unser Denken, aber auch die Logik und die Wörter, die wir für Farben und Farbnuancen finden, zusammen mit unserer Kreativität und Ästhetik, wachsen mit dem Handeln und durch den gegenseitigen Austausch.

Räume, Dinge und Kinder

Im Rahmen des Seminars Raum und Pädagogik fragen wir nach der Relevanz und den Wirkungsweisen von Räumen und ihrer materiellen Beschaffenheit auf die Bildungsprozesse von Kindern. Die Spurensuche ist auf zwei im Verlauf des Seminars immer stärker miteinander verflochtenen Ebenen verortet: Zunächst einmal werden unterschiedliche theoretische Perspektiven erschlossen und diskutiert. Einen handlungsorientierten Zugang in kleineren Gruppen eröffnen die Konzipierung und der Bau von Raummodellen zu Kinderräumen. Hier treffen das individuelle Erfahrungswissen, biografische Deutungsweisen und fachspezifische Wissen aufeinander. Die Arbeit an einem gemeinsamen Raummodell macht es erforderlich, die jeweiligen Erfahrungen und Deutungen zu verbalisieren und zu reflektieren, sich zugleich für die Sichtweisen anderer zu öffnen und gemeinsame Perspektiven zu entwickeln. Am Ende steht die Frage, nach der Begründbarkeit der entstandenen Konzepte sowie Folgerungen für das pädagogische Handeln.

Dinglich-materielle Dimension pädagogischer Ansätze

In verschiedenen kindheitspädagogischen Ansätzen und Theorien wird die Bedeutung von dinglich-materiellen Erfahrungen für Bildungsprozesse in der Kindheit angesprochen. Daran anknüpfend schließen sich die mehr oder weniger dezidiert ausgearbeiteten didaktisch-methodischen Verknüpfungen an. Im Seminar Theorien und Konzepte der Kindheitspädagogik erkunden Studierende diese Pfade und reflektieren die jeweiligen theoretischen Zugänge. Im FrühWerk stehen hierfür didaktische Materialien zu verschiedenen klassischen Ansätzen, unter anderem die Montessori-Materialien sowie die von Friedrich Fröbel entwickelten „Spielgaben“ zur Verfügung. Durch das vielfältige bedeutungs- und verwendungsoffene Material werden Verknüpfungen zu Leitgedanken der Reggio-Pädagogik hergestellt.

Sprache in der Kindheit

Das FrühWerk bietet vielfältige Zugänge mit Blick auf die Auseinandersetzung mit Sprachentwicklungs- und Sprachbildungsprozessen in der Kindheit. Den Studierenden steht eine Mediathek zur Verfügung, unter anderem mit verschiedenen Beobachtungs- und Dokumentationsverfahren in diesem Bereich. Auch werden durch mannigfaltige Materialien Erkundungen von unterschiedlichen Facetten im Bereich der Literacy in der Kindheit ermöglicht, nicht zuletzt durch eine Bilderbuchsammlung. In ausgewählten Sitzungen des Seminars Sprachbildung und Sprachförderung werden entsprechende Verknüpfungen hergestellt. Einen inzwischen festen Bestandteil stellt die Auseinandersetzung mit der ästhetischen Dimension der Schriftsprache dar, indem danach gefragt wird, wie sich Kinder diese erschließen und indem kreative schriftliche Ausdrucksformen erkundet und reflektiert werden.

Licht und Schatten - von Faszination bis Reflexion

Wir setzen uns entlang der Materialien im FrühWerk mit dem „Vertrauten und Ungewöhnlichen“ auseinander und machen uns auf die Suche nach affektiven Bedeutungen der Materialien. Licht und Schatten wird zum Keim für Beteiligungskultur, Illusion, Fiktion, Spekulation, Prämisse, Sanktion und Präsumtion. Dabei entwickeln sich Erfahrungslern- und Bildungsprozesse durch Konflikt(e) zwischen dem Vorhandensein und Nichtvorhandensein von Schatten. Im Seminar Spieltheorien und Spielpädagogik bauen wir im FrühWerk eine SchattenSpielWerkstatt auf und lassen durch Spiel und Gestalten verschiedene Schatten entstehen. Aber wie genau entstehen diese Schatten? Welche Farbe hat Schatten? Wann ist Schatten groß, wann wird er kleiner? Wir sammeln Erfahrungen zu Optik, Lichtbrechung und Farbmischung. Über die inhaltliche Ebene, auf der wir unsere Kenntnisse über das naturwissenschaftlich-ästhetische Phänomen Licht und Schatten erweitern, kommen wir zu einer biografischen Ebene innerhalb derer wir nach bisher gemachten Erfahrungen suchen. Unsere eigenen Hypothesen, Erprobungen und Experimente rahmen auf einer metakognitiven Ebene die Reflexionen eigener Hypothesenentwicklungen. Auf elementardidaktischer Ebene fragen wir nach notwendigen Anregungen, Materialien und Zugangsweisen für Kinder und unserer Rolle als Lernbegleitung.

Wann ist ein Fisch ein Fisch?

Dinge mit wenig Worten sagen und komplette Zusammenhänge in einfachen Sätzen ausdrücken, das können Kinder. Im Rahmen der Veranstaltung Spezifische Themen in der pädagogischen Arbeit mit 3- bis 6-jährigen Kindern machen wir uns auf den Weg die Fähigkeit zu staunen (wieder-)zu entdecken. Lernen heißt auch Staunen, Träumen und Fantasieren. Staunen als Quelle der Inspiration, Kreativität und Motivation. Was bringt mich zum Staunen und wie erlebe ich das bei anderen? Gemeinsam über etwas nachdenken und dabei Zusammenhänge puzzleartig zusammenzufügen, um dann vielleicht wieder zu verwerfen und neu anzusetzen. Wenn wir das machen, entstehen Zeichnungen und Bilder, die wir in Drahtformen übersetzen, mit denen wir dann später ein gemeinsames Schattenspiel entwickeln. Im Staunen liegt ein wertfreies Sichöffnen können, um einen Sachverhalt oder ein Phänomen zu entdecken. Wir suchen Anlässe zum Staunen aus Materialien aus der Natur, Phänomenen oder surrealistischen Bildern oder Fragen: Wann ist ein Fisch ein Fisch?

Wir denken gemeinsam über unsere Rollen als pädagogische Fachkraft nach und überlegen wie wir Kindern nicht nur Ideen anbieten können, sondern Ideen gemeinsam bewirken. Dabei stellen wir eine Vielfalt von Ideenverläufen fest.

Materialität von Übergängen in der frühen Kindheit

Über Übergänge in der (frühen) Kindheit und deren pädagogische Begleitung nachzudenken, heißt auch den „Dingen des Übergangs“ (Nebe & Gaßmann 2021, S. 190) gebührende Beachtung zu schenken. In vielfältiger Form konstituieren diese das Übergangsgeschehen mit, beispielsweise als Übergangsobjekte (bspw. Teddy, Tücher) oder als Symbolträger im Kontext von Ritualen (bspw. Schultüte). Materialität spielt auch darüber hinaus eine bedeutsame Rolle, etwa wenn es darum geht, durch gleiche Dinge in verschiedenen und sich in ihrer Materialität unterscheidenden pädagogischen Räumen eine Wiedererkennung herbeizuführen und somit gewisse Vertrautheit und Sicherheit zu erzeugen. Im Seminar Begleitung von Übergängen widmen wir uns durch Werkstattarbeit diesen und weiteren Facetten. In diesem Rahmen wurde auch der nachfolgende Videoclip von drei Studentinnen konzipiert und erstellt (Sommersemester 2021).