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Große Hilfsbereitschaft und Sehnsucht nach Frieden

Diskussionsforum der Hochschule und des Sprengels Ostfriesland-Ems

öso. Emden. Auf dem Diskussionsforum zu aktuellen gesellschaftlichen Fragestellungen des Sprengels Ostfriesland-Ems und der Hochschule Emden/Leer in der Martin-Luther-Kirche in Emden kam unter dem Titel „Europa – wie Frieden heute gestalten?“ eine große Hilfsbereitschaft und die Sehnsucht nach Frieden zum Ausdruck.

Dieses Forum wolle die Gelegenheit geben, sich selber zu verorten in den Problemen und Fragen, die sich heute durch den Krieg in der Ukraine stellen. Hier könnten keine Antworten gegeben werden. Man wolle miteinander ins Gespräch kommen, sagte Christoph Jebens, Pastor der Martin-Luther Kirchengemeinde, als er stellvertretend für Regionalbischof Dr. Detlef Klahr die rund 60 Teilnehmenden begrüßte. Krankheitshalber konnte Dr. Klahr nicht an der Veranstaltung mitwirken.                 

Wie wichtig ihm dieses Veranstaltungsformat sei, das der Evangelisch-lutherische Sprengel Ostfriesland-Ems gemeinsam mit der Hochschule Emden/Leer seit 2013 zum fünften Mal ausrichtet, brachte Hochschulpräsident Professor Dr. Gerhard Kreutz zum Ausdruck. Die Veranstaltungsreihe zu aktuellen gesellschaftlichen Fragestellungen fand 2013 mit dem Thema „Europa“ seinen Auftakt. „Damals stand die Europäische Union mit ihrer Gemeinschaft und dem Zusammenleben in Frieden im Vordergrund und wir blickten hoffnungsvoll in die friedliche Zukunft Europas. Wir haben nicht damit gerechnet, dass wir heute ganz anders an die Thematik ‚Europa‘ herangehen müssen“, sagte der Hochschulpräsident.

Irritierte Gesellschaft

„Wir sind eine irritierte Gesellschaft“, sagte Professor Dr. Eric Mührel, Initiator dieses Veranstaltungsformats: „Den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine haben wir uns nicht vorstellen können.“ Bisher sei ein friedliches Europa eine Selbstverständlichkeit gewesen. „Ich bin von der Situation, in der wir seit dem 24. Februar leben, überrollt worden. Wie können wir das verstehen, was da passiert ist? Ein gemeinsamer gesellschaftlicher Diskurs darüber ist erforderlich, der Betroffenheit und Sprachlosigkeit Sprache verleihen kann“, sagte Mührel. Die Frage „Wie Frieden heute gestalten?“ eröffne einen Horizont.

Hilfsaktionen gegen Sprachlosigkeit und Ohnmacht

„Wir mussten irgendetwas tun, um mit unseren Gefühlen zurecht zu kommen, sagte Birte Engelberts von der Studienberatung der Hochschule Emden/Leer und schilderte, wie sich spontan aus dem Spendenlauf der Hochschule im März in einem dynamischen Prozess ein Hilfskonvoi entwickelte. Vier Bullis waren dann mit Unterstützung von Emder Institutionen und Ehrenamtlichen mit Sachspenden in die Ukraine nach Uzghorod aufgebrochen. „Durch den engen Kontakt zu den Frauen dort wussten wir genau, was dort fehlt. Auf dem Rückweg haben wir Familien nach Ostfriesland gebracht.“ Engelberts habe in Ostfriesland viel Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit erlebt, die Geflüchteten dabei zu unterstützen, sich hier zurechtzufinden.

Netzwerkarbeit

„Uns ist es wichtig, den Menschen, die aus einer unsicheren Situation kommen, hier eine friedvolle Umgebung zu schaffen, sagte Sven Grundmann. Der Pastor aus Holtland berichtete davon, wie auf Anfrage der Samtgemeinde Hesel die christlichen Kirchen und Gemeinschaften ihre gute Netzwerkarbeit von 2015 wieder reaktivieren konnten. Nahmen damals nicht alle Flüchtlinge aus zum Beispiel aus Afghanistan, Syrien, Eritrea und anderen afrikanischen Ländern  deren Hilfe in Anspruch, so sind es heute alle ukrainischen Flüchtlinge, die gerne auf die kirchliche Netzwerkarbeit zurückgreifen. „In Holtland begleiten wir 30 Geflüchtete mit 18 Helferinnen und Helfern. Dazu gehören vier Dolmetscherinnen. Bei uns sind fast nur russische Muttersprachler aus der Ostukraine. Vielen von Ihnen ist eine Rückkehr nicht möglich, weil ihre Häuser zerstört sind“, sagte Grundmann.

Als Vorsitzender des Gustav Adolf Werks (GAW) Ostfriesland gab Pastor Grundmann einen Einblick, wie schnell und gezielt das Diasporawerk der Evangelischen Kirche in Deutschland mit einem guten Netzwerk in der Ukraine und in den angrenzenden Ländern helfen konnte, sei es mit der Anschaffung eines Kleintransporters, mit dem medizinische Hilfsgüter in die umkämpfte Stadt Charkiw gebracht und Menschen von dort evakuiert werden konnten. Auch konnte in der Slowakei der Umbau eines Gemeindehauses in einen Kindergarten für 24 ukrainische Kinder mitfinanziert werden, um nur einiges zu nennen. Vor allem käme es darauf an, Binnenflüchtlingen und Geflüchteten in den Partnergemeinden des GAW Zufluchtsorte zur Verfügung zu stellen. „Wir verstehen unsere Arbeit immer auch als ein Stück Friedensarbeit, eine Unterstützung über alle ethnischen, sprachlichen und religiösen Grenzen hinweg“, so Grundmann. Krieg dürfe niemals das letzte Wort haben. Frieden müsse möglich sein. Das sei die Friedensbotschaft des Evangeliums, bekräftigte der Pastor und sagte: „Wir müssen sicher alle einen sehr langen Atem haben.“

Kooperation und Freundlichkeit

Kooperation und Freundlichkeit sei das Wesen des Menschen und nicht Bosheit. Dies hätte die Vorstellung der Hilfsprojekte in der Ukraine und angrenzenden Nachbarländern und auch die Aufnahme der Geflüchteten in Ostfriesland gezeigt, sagte Dirk Brandt vom Evangelischen Militärpfarramt Oldenburg. Brandt war in Vertretung für Ulrike Fendler, Evangelisches Militärpfarramt Leer, nach Emden gekommen.

Im Gespräch mit Hochschulpräsident Kreutz ging der Militärpfarrer auf die veränderte Situation der Soldatinnen und Soldaten ein. „Ich bin froh, dass wir eine Bundeswehr haben, die Wert legt auf die politische Bildung und die Gewissensbildung, und dass ich mit dem Ethikunterricht, den ich gebe, dazu beitragen kann.“ Die Soldatinnen und Soldaten hätten ein großes Bedürfnis, die Kriegssituation auch im Hinblick auf Demokratie und Menschenbild zu erörtern.

„Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine ist nicht unser Krieg, die Ukraine wehrt sich“, gab Brandt zu bedenken, wenn es um die Frage nach dem Dilemma von Friedenliebe und militärischen Notwendigkeiten gehe.

Er hoffe darauf, dass die Humanität, die Fähigkeit zur Selbstkritik und die Sehnsucht nach Frieden in dieser Situation gestärkt werden.

Ratlosigkeit und Enttäuschung

Den drei Gesprächen schloss sich eine Diskussionsrunde an. Darin kamen Unverständnis, Ratlosigkeit und Enttäuschung zum Ausdruck. „Wir hatten doch in den Kontakten zu Emdens Partnerstadt Archangelsk die Menschen dort kennengelernt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die russische Bevölkerung diesen Krieg unterstützt“, wurde Unverständnis geäußert. Auch die Enttäuschung darüber kam zum Ausdruck, dass nur vom Aufrüsten gesprochen werde, aber nicht mehr vom Pazifismus, wie er in den 1980er Jahren stark gewesen sei.

Margarethe Huisinga aus Nortmoor gestaltete mit musikalischen Beiträgen zum Thema „Frieden“ die Veranstaltung mit ihrem Akkordeon.

Ein Team der Medientechnik der Hochschule um Stefan Geschwentner sorgte für die Beleuchtung des Kirchenraums in den Farben der Ukraine und für den guten Ton der Mikrofontechnik.

Information

Seit 2013 veranstalten die Hochschule Emden/Leer und der Evangelisch-lutherische Sprengel Ostfriesland-Ems das Forum „Aktuelle gesellschaftliche Fragestellungen“. Im Jahr 2013 ging es um Europa, 2015 und 2016 stand die Flüchtlingsthematik im Vordergrund, 2021 die Pandemie und 2022 Europa und der Krieg in der Ukraine.